Trotz Depression im Beruf tätig
Berufsunfähigkeitsrente trotz beruflicher Tätigkeit
Die Klägerin war Geschäftsführerin und noch in ihrem Beruf tätig, als sie eigentlich wegen ihrer schweren Depression dazu gar nicht mehr in der Lage war. Bis zur Insolvenz ihres Unternehmens arbeitete sie aus Pflichtgefühl weiter und unterstützte später auch den Insolvenzverwalter. Dennoch verlangte sie in der Folge von ihrer Berufsunfähigkeits- und Berufsunfähigkeitszusatzversicherung sowohl rückwirkend als auch für die Zukunft monatliche Zahlungen einer Berufsunfähigkeits-Rente.
Die Versicherungen weigerten sich. Sie beriefen sich auf ihre Versicherungsbedingungen, wonach eine (vollständige) Berufsunfähigkeit nur vorliege, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen außerstande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben. Der Gutachter der Versicherung kam erwartungsgemäß zu dem Ergebnis, dass der Zustand der Klägerin nicht pathologisch sei, sondern eine "normale Reaktion" auf den insolvenzbedingten Verlust des Unternehmens darstelle. Im Übrigen sei die Klägerin im verlangten Sechsmonatszeitraum beruflich tätig gewesen, was gegen eine Berufsunfähigkeit spreche.
Auf die Versicherungsbedingungen kommt es an
Die Klägerin klagte, gewann in der ersten Instanz vor dem Landgericht und wehrte vor dem Oberlandesgericht Hamm die durch die Versicherungen eingelegte Berufung erfolgreich ab. Die Gerichte ließen Sachverständige zu Wort und entschieden letztlich, dass die Versicherungsbedingungen der Beklagten eben nicht verlangen, dass der Berufsunfähige seinen Beruf tatsächlich nicht mehr ausübt. Sie verlangen nur, dass die festgestellten Gesundheitsbeeinträchtigungen die Fortsetzung seiner Tätigkeit vernünftigerweise und im Rahmen des Zumutbaren nicht mehr gestatten. Bereits der BGH hatte zuvor entscheiden, dass der Versicherte zu einem Raubbau an seiner Gesundheit nicht verpflichtet ist. Die Fortsetzung der beruflichen Tätigkeit durch die Klägerin habe aber einen derartigen Raubbau an ihrer Gesundheit bedeutet. Wegen gravierender gesundheitlicher Beeinträchtigungen hätte sie vernünftigerweise schon früher ihre berufliche Tätigkeit einstellen müssen. Sie trieb aber trotz Berufsunfähigkeit weiter Raubbau, indem sie – nach außen – scheinbar unbeeinträchtigt weiterarbeitete, um den eigenen und fremden Erwartungen an sie zu entsprechen.
Verstärkte Rechte bei depressionsbedingter Berufsunfähigkeit
Auch entschied das Gericht, dass Berufsunfähigkeit aus psychischen Gründen aufgrund eines Sachverständigengutachtens bewiesen sein kann, auch wenn der Versicherte zunächst keine fachärztliche Hilfe in Anspruch nahm. Damit wurden die Rechte der Versicherten, insbesondere im vielschichtigen Kontext einer Depressionserkrankung, weiter gestärkt.